
Rummelplatz
Ein Spiel zum 15-Jahres-Jubiläum des Verlags, ein Rummelplatz, auf dem man an den Attraktionen Lospunkte sammelt. Man besucht insgesamt 4 Attraktionen und wählt immer eine von zwei: Hau den Lukas oder Wahrsagerin, Pferderennen oder Greifer, Autoscooter oder Schiffschaukel bzw. Achterbahn oder Geisterbahn. Der Gewinner an jeder Attraktion bekommt 6 Lospunkte. An der Losbude gibt es Kärtchen entsprechend der Gesamtsumme erspielter Punkte. Reihum zieht man ein Los: Nieten legt man auf das Loskärtchen. Ist es voll, darf man nicht mehr ziehen. Wer den Hauptgewinn zieht, gewinnt sofort.
Dieses Spiel ist in folgenden Sprachen veröffentlicht:
DeutschLudografische Angaben
Verlage:
Inventarnummer:
22349
Tags:
ess10
Kategorien:
Spielesammlung
Rezension
Rummelplatz
Family
Alter 8
Spezial
Junger Mann zum
Mitspielen gesucht!
RUMMELPLATZ
Gebrannte Mandeln und Ringelspiel
„Jetzt wieder zusteigen, jetzt wieder dabei sein, es geht
wieder rund hier Freunde! Hey hey hey – und die nächste Fahrt geht rückwärts!“
Man kann die unvergessliche Mischung aus Zuckerwatte,
Pommes Frites und gebrannten Mandeln schon fast riechen, wenn man den liebevoll
gestalteten Spielplan von RUMMELPLATZ auf dem Spieltisch ausbreitet. Obwohl er
nur nach Pappe riecht. Und wer ganz genau hinhört, glaubt sogar, Stimmengewirr,
Partymusik und das Geratter der Achterbahn wahrnehmen zu können. Obwohl es nur
das Poltern von Kunststoffedelsteinen, Würfeln und unzähligen Pappcountern
sind, die da aus der opulent gefüllten Schachtel purzeln. Und schon liegt es vor
uns, das Jubiläumsspiel zum 15 jährigen Bestehen des Verlags eggertspiele, das
so völlig anders ist als alles, was zuvor unter diesem Label die
(Viel-)spielerschaft begeistert hat.
Spaß muss sein
Schon im Vorfeld der SPIEL 2010 ließ sich aus dem eigens
eingerichteten Blog im Internet erkennen, dass die Beteiligten offenbar jede
Menge Spaß bei der Planung ihrer kleinen Überraschung für die Spielerwelt
hatten. Worum es aber genau ging, wurde erst relativ spät klar: ein Spiel auf
dem Rummelplatz. Ein cleverer Schachzug, denn wie sonst sollte man so vielen
kreativen Köpfen Raum geben, wenn nicht in der Gestaltung der vielen einzelnen
Attraktionen eines Kirmesplatzes, ohne dass das Endergebnis wie ein zurecht
gestauchtes Stückwerk wirkt? Von der Geisterbahn bis zum „Hau den Lukas“ ist
alles dabei. Grafisch überaus einladend gestaltet von gleich sieben Personen,
die sich unter anderem mit Namen wie Michael Menzel, Harald Lieske und Franz
Vohwinkel als ein „Who is Who“ der deutschsprachigen Grafikerszene präsentieren.
Die Frage, ob sich der offensichtliche Spaß beim
Entwickeln auch im Spielgefühl des fertigen Produktes wiederfindet, lässt sich
eindeutig mit Ja beantworten. Anspruchsvoll oder gar strategisch ist das Ganze
aber beileibe nicht. Was wird den Rummelplatzbesuchern denn nun wirklich
abverlangt?
Ein kleiner Rummel-Bummel
Die Grundidee ist wirklich einfach: In jedem Spiel, das
oft nicht länger als eine halbe Stunde (auch in voller Besetzung mit sechs
Personen) dauert, besuchen die Spieler vier der insgesamt acht Attraktionen, um
dort durch eine gute Platzierung möglichst viele „Lospunkte“ zu ergattern.
Diese werden im „großen Finale“ in Loskärtchen umgewandelt. Je mehr Kärtchen
ich habe, desto häufiger darf ich in dem Losbeutel nach dem Hauptgewinn
fischen. Wer diesen als Erster herauszieht, gewinnt das Spiel. Zugegeben, diese
Siegbedingung ist tatsächlich meilenweit von Werken wie „Im Schutze der Burg“
oder „Cuba“ entfernt. Nun denn, gehen Sie gemeinsam mit mir auf einen kleinen
Rummel-Bummel und erleben Sie, welche aberwitzigen Attraktionen der Rummelplatz
bietet. Pro Station stehen zwei zur Auswahl, welchem Nervenkitzel sich die
Spieler stellen müssen, entscheidet immer derjenige mit den wenigsten
Lospunkten.
Station 1: „Hau den Lukas“ oder „Die Wahrsagerin“
Keine Angst, es gibt keinen Hammer in der Spieleschachtel
und es ist auch keine Kraftanstrengung nötig, um Lukas zu hauen. Hier geht es
lediglich darum Würfel nach Vorgabe einer entsprechenden Karte aufeinander zu
türmen, sodass die Vorderseite des Turms der Abbildung auf der Karte
entspricht. Einzige Bedingung: Die Würfelaugen und Farben der Würfelseiten, die
direkt aufeinander liegen, müssen identisch sein. Wer den höchsten
regelkonformen Turm innerhalb der Laufzeit der dem Spiel beiliegenden Sanduhr
errichtet, heimst die meisten Lospunkte ein.
Die Wahrsagerin hingegen erfordert ein Pokerface und
Bluff von den Spielern. Ganz in der Manier des „Schummelns“ oder „Blödsinn“
oder „Lügens“ oder wie auch immer die Urfassung des Spiels beim Leser dieser
Rezension zu Hause genannt wird, geht es darum, dem linken Nachbarn eine Karte
unter Nennung des angeblich dort abgedruckten Wertes anzubieten, die dieser
entweder nehmen und vor sich ablegen oder ablehnen kann. In diesem Fall wird
diese Karte dem nächsten Spieler im Uhrzeigersinn angeboten. Jeder kommt als
Wahrsagerin zwei Mal an die Reihe und wenn alle Karten verteilt wurden, wird
abgerechnet. Wer die meisten Punkte auf seinen Karten findet, erhält auch die
meisten Lospunkte fürs Finale.
Witzig hierbei ist vor allem die Einbettung in das
Vorhersagethema. So bietet man seinem Nachbarn eben nicht eine Karte mit dem
Wert „-3“ an, sondern sagt ihm sein Schicksal voraus: „Ich sehe … kein
Klopapier“. Und dieses Schicksal, sollte ich es annehmen, wäre dann in der Abrechnung
drei Minuspunkte wert. Ein stimmungsvoller Kniff, der für einige Lacher sorgt –
und bei Vielspielern für emotionale Erinnerungen an andere eggertspiele, wenn
Madame Déjà-vu z.B. plötzlich eine „Sambaschule“ mitsamt der Originalgrafik des
entsprechenden Cuba-Gebäudes in ihrer Glaskugel erblickt.
Station 2: „Pferderennen“ oder „Greifer“
Das Pferderennen ist eine wahre Würfelorgie, wie sie auch
in Kinderspielen ab 5 Jahren Anwendung finden könnte. In Teams aus je zwei
Personen würfeln die Spieler mit jeweils drei Würfeln gleichzeitig um die
Wette. Für jeden Drilling (drei gleiche Zahlen) setzt der Partner den
Pferdespielstein um 1, 2 oder 3 Felder vor. Es gewinnt, wer als erster seinen
Zossen im Ziel hat, wobei die Rollen zur Hälfte der Strecke getauscht werden.
Anspruch? Nein. Trubel? Ja!
Der Greifer hingegen erfordert ein wenig
Koordinationsvermögen. Auf einem echten Rummelplatz steuert man mit einem
Joystick einen Greifarm möglichst so, dass er ein hübsches Stofftier ergreift
und in den Gewinnschacht fallen lässt. In diesem Spiel gibt es weder Stofftiere
noch Elektronik, weshalb kurzerhand die Spieler als Joystick und Greifarm
fungieren. Ziel ist es, möglichst wertvolle Kristalle mit versperrter Sicht und
lediglich unter Zuhilfenahme des Daumens, Zeige- und Ringfingers aus dem
Schachtelboden zu fischen. Die Kommandos dazu gibt ein Mitspieler mit den
Worten „Mib“, „Mab“, „Mub“ und „Mob“, um die vier möglichen Richtungen
anzuzeigen. Mit „Klick“ greift der Arm zu und hofft, ein punkteträchtiges
Steinchen zu erwischen. Wer nach zwei Versuchen die höchste Gesamtpunktzahl
hat, gewinnt.
Station 3: „Autoscooter“ oder „Schiffschaukel“
Wenn ein Stichspiel mit normalen Spielkarten zu
langweilig ist, nennt man es einfach „Autoscooter“, motzt die Grafik auf und
legt noch einen Stapel kleiner Autoscooter-Plättchen dazu und fertig ist das
nächste Minispiel. Wer die höchste Karte legt, gewinnt hier jedoch nicht den
Stich, sondern verliert die Runde, wird „angerempelt“ und deckt eines seiner 9
gestapelten Autoscooter-Plättchen auf. Dies geht so lange weiter, bis der erste
Spieler sein „Tilt-Plättchen“ aufdeckt und das Spiel sofort beendet. Da jeder
selbst entscheiden kann, wie tief dieses Plättchen im eigenen Stapel liegt, lässt
sich beeinflussen, wie lange man im Spiel bleibt, selbst wenn man schlechte
Karten hat. Dafür sinken aber auch die Punkte am Ende, denn für jedes Plättchen
unterhalb des „Tilt-Plättchens“ gibt es am Ende je einen Punkt. Absahnen
kann also nur, wer auch mal auf das Risiko setzt.
Schon wenn der Rezensent nur an seine Erlebnisse in der
Schiffschaukel denkt, wird ihm wieder übel, was aber sicher nicht der einzige
Grund ist, warum er dieses Spiel für das schwächste der RUMMELPLATZ-Sammlung
hält. Hier ist der Ablauf so an den Haaren herbeigezogen, dass er mit dem
realen Vorbild wirklich nichts mehr gemein hat. Jeder bekommt zehn Kristalle
als Ausdauerpunkte und platziert seine Spielfigur in einer freien Sitzreihe der
Schaukel. Je weiter außen, desto mehr „Spaßpunkte“ gibt es dafür. Dann würfelt
jeder reihum mit so vielen Würfeln, wie seine Sitzreihe Punkte zeigt und muss
für jede eins einen Ausdauerkristall abgeben, wobei ein Platz in der Mitte gar
keine Punkte, sondern stattdessen einen zusätzlichen Ausdauerkristall beschert.
In jeder neuen Runde setzen die Spieler ihre Figur in eine neue leere
Sitzreihe, erhalten erneut Punkte und würfeln wieder, bis entweder der erste
Spieler keine Ausdauer mehr hat oder jemand mindestens 22 Punkte erzielen
konnte.
Station 4: „Achterbahn“ oder „Geisterbahn“
Die Achterbahn macht am meisten Spaß, wenn man wirklich
in lockere Runde beisammen sitzt, denn hier kommt Bewegung ins Spiel. Immer
zwei Sitznachbarn spielen gemeinsam und versuchen sich innerhalb von 30
Sekunden möglichst viele Aktionskarten in der richtigen Reihenfolge zu merken.
Dann haken sie ihre Arme untereinander und simulieren eine Achterbahnfahrt,
indem sie sich je nach Abbildung auf der Karte nach links oder rechts beugen,
die Arme hochnehmen oder angsterfüllt die freie Hand vors Gesicht schlagen. Je
mehr Aktionen korrekt aus dem Gedächtnis heraus dargeboten werden, desto mehr
Punkte gibt es dafür. Verrückt – aber lustig.
Angsterfüllt kreischen darf man auch in der Geisterbahn.
Das ist sogar zwingend notwendig, denn genau darum geht es. Jeder erhält zwei
geheime „Angstauslöser“ zugeteilt, die er sich zu merken hat. Dabei handelt es
sich um Karten mit Spinnen, Geistern oder ähnlichem. Während der „Fahrt“ werden
nacheinander 15 Geisterbahnkarten aufgedeckt, die wiederum eine Auswahl von
Angstauslösern zeigen. Wer einen seiner Auslöser entdeckt, kreischt, was das
Zeug hält und versucht sich gleichzeitig zu merken, was den Mitspielern Angst
einjagen könnte. Wenn der Wagon das Tageslicht wieder erreicht, wird
abgerechnet und jeder muss tippen, wer vor welchen Kreaturen Angst hat. Punkte
gibt es dann pro richtigen Tipp – und zwar sowohl für den Tipper als auch den
Angsthasen.
Los! Zieh!
So pompös wie man es sich vorstellt, ist das Finale an
der Losbude dann doch nicht. Im Grunde genommen, ist es sogar ein reines
Glücksspiel, das nur dadurch ein wenig relativiert wird, dass die Spieler mit
mehr Lospunkten häufiger in den Beutel greifen dürfen und dadurch statistisch
gesehen, die Wahrscheinlichkeit zu gewinnen, erhöhen. Tatsächlich trifft es
aber ebenso oft ein, dass ein Spieler mit wenigen Versuchen gleich beim ersten
Mal den lila Kristall findet und damit alle Bemühungen aus den
Attraktionsbesuchen im Vorfeld praktisch zu Nichte macht. Wer sich des immens
großen Glücksanteils bewusst ist und das alles nicht ganz so ernst nimmt, wird
viel Spaß auf dem RUMMELPLATZ haben, verbissene Vielspieler, denen es einzig um
den Sieg geht, eher weniger. Daher ist die Zielgruppe mit der spielenden
Familie klar und eindeutig definiert. Und hier kann sich das
eggert-Jubiläumsspiel durchaus gegen die üblichen Spielsammlungen rund um
Mikado und Mühle durchsetzen. Allein schon aufgrund der Gestaltung, die sofort
zum Ausprobieren einlädt.
Der Leser möge mir diese lange Vorstellung der einzelnen
Elemente verzeihen, aber bei einem Spiel, das aus gleich acht in sich
geschlossenen einzelnen Stationen mit eigenen Siegbedingungen und Regen
besteht, scheint es einfach nötig, diese so vorzustellen, dass jeder sich
selbst ein Urteil darüber bilden kann, ob in der Fülle an Minispielen auch
etwas für ihn dabei ist. Erlauben Sie mir aber vielleicht dennoch einige
abschließende Kommentare:
Detailverliebt
Wer genau hinsieht, kann im Spielmaterial, auf den Karten
und dem Spielplan jede Menge putzige Details erkennen, die erneut belegen, dass
es den Machern von RUMMELPLATZ nicht darum ging, schnell ein Spiel zu
produzieren, sondern er echtes Jubiläumsspiel zu kreieren, das bis zur kleinsten
Kleinigkeit mit Liebe gestaltet wurde. Während mir persönlich die wartenden
Mäuse an einer Mini-Eintrittskasse am besten gefallen, werden andere zum
Beispiel über die Position der Hand des geängstigten Insassen der Geisterbahn
auf der Rückseite der entsprechenden Karten schmunzeln oder über die grünen
Haare der Person, die stark an einen gewissen Herrn Friese erinnert, den die Wahrsagerin
in ihrer Glaskugel sieht. Oder über die winzigen Comicfiguren in der
Spielanleitung, die beispielsweise einem brillentragenden Autorenpärchen oder
einem schwarzhaarigen, schnurrbärtigen Verlagsleiter aus Hamburg recht ähnlich
sehen. Oder … oder … oder…
Der (gute) Zweck heiligt die Mittel
RUMMELPLATZ ist in jeder Hinsicht ein besonderes Spiel,
was in der Tatsache gipfelt, dass alle beteiligten Autoren und Grafiker auf
ihre Honorare verzichtet haben und diese gemeinsam mit einer Spende des Verlags
stattdessen der Kindernothilfe zukommen lassen werden. So wird die Sache
wirklich rund. Ein Beispiel, das Schule machen sollte, denn letztlich zeigen
die Damen und Herren rund um Verlagschef Peter Eggert mit diesem Engagement,
worauf es doch eigentlich – abseits von verbissenen Jagden nach Siegpunkten –
wirklich ankommt: den Spaß am Spielen und an Spielen!
(Anmerkung: Die Punktevergabe in der Bewertung bezieht
sich auf das Gesamterlebnis, denn im Grunde handelt es sich um 8 einzelne,
unabhängige Spiele, die alle unterschiedliche Anforderungen an die Spieler
stellen.)
Stefan Olschewski
stefan@stefanmagie.tobit.net
Spieler: 3-6
Alter : ab 8 Jahren
Dauer : ca. 30 Min.
Autoren : Inka und Markus Brand, Peter Eggert,
Philipp El Alaoui, Friedemann Friese, Michael Rieneck, Martin Schlegel, Stefan
Stadler, Tobias Stapelfeldt und Birgit Stolte
Grafik : Michael Menzel, Alexander Jung, Harald Lieske, Klemenz Franz,
Franz Vohwinkel, Dennis Lohausen und Birgit Stolte
Titel english : identisch
Preis : ca. 35,- Euro
Verlag : eggertspiele 2010
www.eggertspiele.de
Genre : Spielesammlung mit einigen
pfiffigen Ideen
Zielgruppe : Für Familien
Mechanismen : Minispiele und damit Punkte fürs
Finale gewinnen
Kommentar:
Umfangreiches Material
einladende Gestaltung
Witzig und spannend auch ohne großen strategischen Anspruch
Einfache Spielregeln
angenehm kurze Spieldauer
Vergleichbar:
diverse Partyspiele, in dieser Kombination aber bisher
einzigartig
Stefan Olschewski
Witzige Mischung einfacher, nicht immer ganz neuer
Spielideen ohne großen Anspruch, bei denen es überhaupt nicht darauf ankommt,
wer letzten Endes gewinnt. Hauptsache es gibt viel zu Lachen.
Atmosphäre: 6
Zufall 3
Taktik 1
Strategie__
Kreativität
Wissen_
Gedächtnis
Kommunikation 3
Interaktion 3
Geschicklichkeit
Action 2
Family
Alter 8
Spezial
Junger Mann zum
Mitspielen gesucht!
RUMMELPLATZ
Gebrannte Mandeln und Ringelspiel
„Jetzt wieder zusteigen, jetzt wieder dabei sein, es geht
wieder rund hier Freunde! Hey hey hey – und die nächste Fahrt geht rückwärts!“
Man kann die unvergessliche Mischung aus Zuckerwatte,
Pommes Frites und gebrannten Mandeln schon fast riechen, wenn man den liebevoll
gestalteten Spielplan von RUMMELPLATZ auf dem Spieltisch ausbreitet. Obwohl er
nur nach Pappe riecht. Und wer ganz genau hinhört, glaubt sogar, Stimmengewirr,
Partymusik und das Geratter der Achterbahn wahrnehmen zu können. Obwohl es nur
das Poltern von Kunststoffedelsteinen, Würfeln und unzähligen Pappcountern
sind, die da aus der opulent gefüllten Schachtel purzeln. Und schon liegt es vor
uns, das Jubiläumsspiel zum 15 jährigen Bestehen des Verlags eggertspiele, das
so völlig anders ist als alles, was zuvor unter diesem Label die
(Viel-)spielerschaft begeistert hat.
Spaß muss sein
Schon im Vorfeld der SPIEL 2010 ließ sich aus dem eigens
eingerichteten Blog im Internet erkennen, dass die Beteiligten offenbar jede
Menge Spaß bei der Planung ihrer kleinen Überraschung für die Spielerwelt
hatten. Worum es aber genau ging, wurde erst relativ spät klar: ein Spiel auf
dem Rummelplatz. Ein cleverer Schachzug, denn wie sonst sollte man so vielen
kreativen Köpfen Raum geben, wenn nicht in der Gestaltung der vielen einzelnen
Attraktionen eines Kirmesplatzes, ohne dass das Endergebnis wie ein zurecht
gestauchtes Stückwerk wirkt? Von der Geisterbahn bis zum „Hau den Lukas“ ist
alles dabei. Grafisch überaus einladend gestaltet von gleich sieben Personen,
die sich unter anderem mit Namen wie Michael Menzel, Harald Lieske und Franz
Vohwinkel als ein „Who is Who“ der deutschsprachigen Grafikerszene präsentieren.
Die Frage, ob sich der offensichtliche Spaß beim
Entwickeln auch im Spielgefühl des fertigen Produktes wiederfindet, lässt sich
eindeutig mit Ja beantworten. Anspruchsvoll oder gar strategisch ist das Ganze
aber beileibe nicht. Was wird den Rummelplatzbesuchern denn nun wirklich
abverlangt?
Ein kleiner Rummel-Bummel
Die Grundidee ist wirklich einfach: In jedem Spiel, das
oft nicht länger als eine halbe Stunde (auch in voller Besetzung mit sechs
Personen) dauert, besuchen die Spieler vier der insgesamt acht Attraktionen, um
dort durch eine gute Platzierung möglichst viele „Lospunkte“ zu ergattern.
Diese werden im „großen Finale“ in Loskärtchen umgewandelt. Je mehr Kärtchen
ich habe, desto häufiger darf ich in dem Losbeutel nach dem Hauptgewinn
fischen. Wer diesen als Erster herauszieht, gewinnt das Spiel. Zugegeben, diese
Siegbedingung ist tatsächlich meilenweit von Werken wie „Im Schutze der Burg“
oder „Cuba“ entfernt. Nun denn, gehen Sie gemeinsam mit mir auf einen kleinen
Rummel-Bummel und erleben Sie, welche aberwitzigen Attraktionen der Rummelplatz
bietet. Pro Station stehen zwei zur Auswahl, welchem Nervenkitzel sich die
Spieler stellen müssen, entscheidet immer derjenige mit den wenigsten
Lospunkten.
Station 1: „Hau den Lukas“ oder „Die Wahrsagerin“
Keine Angst, es gibt keinen Hammer in der Spieleschachtel
und es ist auch keine Kraftanstrengung nötig, um Lukas zu hauen. Hier geht es
lediglich darum Würfel nach Vorgabe einer entsprechenden Karte aufeinander zu
türmen, sodass die Vorderseite des Turms der Abbildung auf der Karte
entspricht. Einzige Bedingung: Die Würfelaugen und Farben der Würfelseiten, die
direkt aufeinander liegen, müssen identisch sein. Wer den höchsten
regelkonformen Turm innerhalb der Laufzeit der dem Spiel beiliegenden Sanduhr
errichtet, heimst die meisten Lospunkte ein.
Die Wahrsagerin hingegen erfordert ein Pokerface und
Bluff von den Spielern. Ganz in der Manier des „Schummelns“ oder „Blödsinn“
oder „Lügens“ oder wie auch immer die Urfassung des Spiels beim Leser dieser
Rezension zu Hause genannt wird, geht es darum, dem linken Nachbarn eine Karte
unter Nennung des angeblich dort abgedruckten Wertes anzubieten, die dieser
entweder nehmen und vor sich ablegen oder ablehnen kann. In diesem Fall wird
diese Karte dem nächsten Spieler im Uhrzeigersinn angeboten. Jeder kommt als
Wahrsagerin zwei Mal an die Reihe und wenn alle Karten verteilt wurden, wird
abgerechnet. Wer die meisten Punkte auf seinen Karten findet, erhält auch die
meisten Lospunkte fürs Finale.
Witzig hierbei ist vor allem die Einbettung in das
Vorhersagethema. So bietet man seinem Nachbarn eben nicht eine Karte mit dem
Wert „-3“ an, sondern sagt ihm sein Schicksal voraus: „Ich sehe … kein
Klopapier“. Und dieses Schicksal, sollte ich es annehmen, wäre dann in der Abrechnung
drei Minuspunkte wert. Ein stimmungsvoller Kniff, der für einige Lacher sorgt –
und bei Vielspielern für emotionale Erinnerungen an andere eggertspiele, wenn
Madame Déjà-vu z.B. plötzlich eine „Sambaschule“ mitsamt der Originalgrafik des
entsprechenden Cuba-Gebäudes in ihrer Glaskugel erblickt.
Station 2: „Pferderennen“ oder „Greifer“
Das Pferderennen ist eine wahre Würfelorgie, wie sie auch
in Kinderspielen ab 5 Jahren Anwendung finden könnte. In Teams aus je zwei
Personen würfeln die Spieler mit jeweils drei Würfeln gleichzeitig um die
Wette. Für jeden Drilling (drei gleiche Zahlen) setzt der Partner den
Pferdespielstein um 1, 2 oder 3 Felder vor. Es gewinnt, wer als erster seinen
Zossen im Ziel hat, wobei die Rollen zur Hälfte der Strecke getauscht werden.
Anspruch? Nein. Trubel? Ja!
Der Greifer hingegen erfordert ein wenig
Koordinationsvermögen. Auf einem echten Rummelplatz steuert man mit einem
Joystick einen Greifarm möglichst so, dass er ein hübsches Stofftier ergreift
und in den Gewinnschacht fallen lässt. In diesem Spiel gibt es weder Stofftiere
noch Elektronik, weshalb kurzerhand die Spieler als Joystick und Greifarm
fungieren. Ziel ist es, möglichst wertvolle Kristalle mit versperrter Sicht und
lediglich unter Zuhilfenahme des Daumens, Zeige- und Ringfingers aus dem
Schachtelboden zu fischen. Die Kommandos dazu gibt ein Mitspieler mit den
Worten „Mib“, „Mab“, „Mub“ und „Mob“, um die vier möglichen Richtungen
anzuzeigen. Mit „Klick“ greift der Arm zu und hofft, ein punkteträchtiges
Steinchen zu erwischen. Wer nach zwei Versuchen die höchste Gesamtpunktzahl
hat, gewinnt.
Station 3: „Autoscooter“ oder „Schiffschaukel“
Wenn ein Stichspiel mit normalen Spielkarten zu
langweilig ist, nennt man es einfach „Autoscooter“, motzt die Grafik auf und
legt noch einen Stapel kleiner Autoscooter-Plättchen dazu und fertig ist das
nächste Minispiel. Wer die höchste Karte legt, gewinnt hier jedoch nicht den
Stich, sondern verliert die Runde, wird „angerempelt“ und deckt eines seiner 9
gestapelten Autoscooter-Plättchen auf. Dies geht so lange weiter, bis der erste
Spieler sein „Tilt-Plättchen“ aufdeckt und das Spiel sofort beendet. Da jeder
selbst entscheiden kann, wie tief dieses Plättchen im eigenen Stapel liegt, lässt
sich beeinflussen, wie lange man im Spiel bleibt, selbst wenn man schlechte
Karten hat. Dafür sinken aber auch die Punkte am Ende, denn für jedes Plättchen
unterhalb des „Tilt-Plättchens“ gibt es am Ende je einen Punkt. Absahnen
kann also nur, wer auch mal auf das Risiko setzt.
Schon wenn der Rezensent nur an seine Erlebnisse in der
Schiffschaukel denkt, wird ihm wieder übel, was aber sicher nicht der einzige
Grund ist, warum er dieses Spiel für das schwächste der RUMMELPLATZ-Sammlung
hält. Hier ist der Ablauf so an den Haaren herbeigezogen, dass er mit dem
realen Vorbild wirklich nichts mehr gemein hat. Jeder bekommt zehn Kristalle
als Ausdauerpunkte und platziert seine Spielfigur in einer freien Sitzreihe der
Schaukel. Je weiter außen, desto mehr „Spaßpunkte“ gibt es dafür. Dann würfelt
jeder reihum mit so vielen Würfeln, wie seine Sitzreihe Punkte zeigt und muss
für jede eins einen Ausdauerkristall abgeben, wobei ein Platz in der Mitte gar
keine Punkte, sondern stattdessen einen zusätzlichen Ausdauerkristall beschert.
In jeder neuen Runde setzen die Spieler ihre Figur in eine neue leere
Sitzreihe, erhalten erneut Punkte und würfeln wieder, bis entweder der erste
Spieler keine Ausdauer mehr hat oder jemand mindestens 22 Punkte erzielen
konnte.
Station 4: „Achterbahn“ oder „Geisterbahn“
Die Achterbahn macht am meisten Spaß, wenn man wirklich
in lockere Runde beisammen sitzt, denn hier kommt Bewegung ins Spiel. Immer
zwei Sitznachbarn spielen gemeinsam und versuchen sich innerhalb von 30
Sekunden möglichst viele Aktionskarten in der richtigen Reihenfolge zu merken.
Dann haken sie ihre Arme untereinander und simulieren eine Achterbahnfahrt,
indem sie sich je nach Abbildung auf der Karte nach links oder rechts beugen,
die Arme hochnehmen oder angsterfüllt die freie Hand vors Gesicht schlagen. Je
mehr Aktionen korrekt aus dem Gedächtnis heraus dargeboten werden, desto mehr
Punkte gibt es dafür. Verrückt – aber lustig.
Angsterfüllt kreischen darf man auch in der Geisterbahn.
Das ist sogar zwingend notwendig, denn genau darum geht es. Jeder erhält zwei
geheime „Angstauslöser“ zugeteilt, die er sich zu merken hat. Dabei handelt es
sich um Karten mit Spinnen, Geistern oder ähnlichem. Während der „Fahrt“ werden
nacheinander 15 Geisterbahnkarten aufgedeckt, die wiederum eine Auswahl von
Angstauslösern zeigen. Wer einen seiner Auslöser entdeckt, kreischt, was das
Zeug hält und versucht sich gleichzeitig zu merken, was den Mitspielern Angst
einjagen könnte. Wenn der Wagon das Tageslicht wieder erreicht, wird
abgerechnet und jeder muss tippen, wer vor welchen Kreaturen Angst hat. Punkte
gibt es dann pro richtigen Tipp – und zwar sowohl für den Tipper als auch den
Angsthasen.
Los! Zieh!
So pompös wie man es sich vorstellt, ist das Finale an
der Losbude dann doch nicht. Im Grunde genommen, ist es sogar ein reines
Glücksspiel, das nur dadurch ein wenig relativiert wird, dass die Spieler mit
mehr Lospunkten häufiger in den Beutel greifen dürfen und dadurch statistisch
gesehen, die Wahrscheinlichkeit zu gewinnen, erhöhen. Tatsächlich trifft es
aber ebenso oft ein, dass ein Spieler mit wenigen Versuchen gleich beim ersten
Mal den lila Kristall findet und damit alle Bemühungen aus den
Attraktionsbesuchen im Vorfeld praktisch zu Nichte macht. Wer sich des immens
großen Glücksanteils bewusst ist und das alles nicht ganz so ernst nimmt, wird
viel Spaß auf dem RUMMELPLATZ haben, verbissene Vielspieler, denen es einzig um
den Sieg geht, eher weniger. Daher ist die Zielgruppe mit der spielenden
Familie klar und eindeutig definiert. Und hier kann sich das
eggert-Jubiläumsspiel durchaus gegen die üblichen Spielsammlungen rund um
Mikado und Mühle durchsetzen. Allein schon aufgrund der Gestaltung, die sofort
zum Ausprobieren einlädt.
Der Leser möge mir diese lange Vorstellung der einzelnen
Elemente verzeihen, aber bei einem Spiel, das aus gleich acht in sich
geschlossenen einzelnen Stationen mit eigenen Siegbedingungen und Regen
besteht, scheint es einfach nötig, diese so vorzustellen, dass jeder sich
selbst ein Urteil darüber bilden kann, ob in der Fülle an Minispielen auch
etwas für ihn dabei ist. Erlauben Sie mir aber vielleicht dennoch einige
abschließende Kommentare:
Detailverliebt
Wer genau hinsieht, kann im Spielmaterial, auf den Karten
und dem Spielplan jede Menge putzige Details erkennen, die erneut belegen, dass
es den Machern von RUMMELPLATZ nicht darum ging, schnell ein Spiel zu
produzieren, sondern er echtes Jubiläumsspiel zu kreieren, das bis zur kleinsten
Kleinigkeit mit Liebe gestaltet wurde. Während mir persönlich die wartenden
Mäuse an einer Mini-Eintrittskasse am besten gefallen, werden andere zum
Beispiel über die Position der Hand des geängstigten Insassen der Geisterbahn
auf der Rückseite der entsprechenden Karten schmunzeln oder über die grünen
Haare der Person, die stark an einen gewissen Herrn Friese erinnert, den die Wahrsagerin
in ihrer Glaskugel sieht. Oder über die winzigen Comicfiguren in der
Spielanleitung, die beispielsweise einem brillentragenden Autorenpärchen oder
einem schwarzhaarigen, schnurrbärtigen Verlagsleiter aus Hamburg recht ähnlich
sehen. Oder … oder … oder…
Der (gute) Zweck heiligt die Mittel
RUMMELPLATZ ist in jeder Hinsicht ein besonderes Spiel,
was in der Tatsache gipfelt, dass alle beteiligten Autoren und Grafiker auf
ihre Honorare verzichtet haben und diese gemeinsam mit einer Spende des Verlags
stattdessen der Kindernothilfe zukommen lassen werden. So wird die Sache
wirklich rund. Ein Beispiel, das Schule machen sollte, denn letztlich zeigen
die Damen und Herren rund um Verlagschef Peter Eggert mit diesem Engagement,
worauf es doch eigentlich – abseits von verbissenen Jagden nach Siegpunkten –
wirklich ankommt: den Spaß am Spielen und an Spielen!
(Anmerkung: Die Punktevergabe in der Bewertung bezieht
sich auf das Gesamterlebnis, denn im Grunde handelt es sich um 8 einzelne,
unabhängige Spiele, die alle unterschiedliche Anforderungen an die Spieler
stellen.)
Stefan Olschewski
stefan@stefanmagie.tobit.net
Spieler: 3-6
Alter : ab 8 Jahren
Dauer : ca. 30 Min.
Autoren : Inka und Markus Brand, Peter Eggert,
Philipp El Alaoui, Friedemann Friese, Michael Rieneck, Martin Schlegel, Stefan
Stadler, Tobias Stapelfeldt und Birgit Stolte
Grafik : Michael Menzel, Alexander Jung, Harald Lieske, Klemenz Franz,
Franz Vohwinkel, Dennis Lohausen und Birgit Stolte
Titel english : identisch
Preis : ca. 35,- Euro
Verlag : eggertspiele 2010
www.eggertspiele.de
Genre : Spielesammlung mit einigen
pfiffigen Ideen
Zielgruppe : Für Familien
Mechanismen : Minispiele und damit Punkte fürs
Finale gewinnen
Kommentar:
Umfangreiches Material
einladende Gestaltung
Witzig und spannend auch ohne großen strategischen Anspruch
Einfache Spielregeln
angenehm kurze Spieldauer
Vergleichbar:
diverse Partyspiele, in dieser Kombination aber bisher
einzigartig
Stefan Olschewski
Witzige Mischung einfacher, nicht immer ganz neuer
Spielideen ohne großen Anspruch, bei denen es überhaupt nicht darauf ankommt,
wer letzten Endes gewinnt. Hauptsache es gibt viel zu Lachen.
Atmosphäre: 6
Zufall 3
Taktik 1
Strategie__
Kreativität
Wissen_
Gedächtnis
Kommunikation 3
Interaktion 3
Geschicklichkeit
Action 2